Beyond Hiring for Fit: Der Vorteil von «Culture Add» in der Rekrutierung
Lesezeit 9minWas bei «Culture Fit» fehlt – und wann es dennoch funktioniert
Hinweis: Original auf Englisch.
Stellen Sie sich einen Rekrutierungsprozess vor, der auf Vertrautheit setzt: dieselbe Universität, eine ähnliche Herkunft, gemeinsame Wochenendgewohnheiten. Das wirkt intuitiv richtig. Es geht nicht nur um Fähigkeiten, sondern auch darum, jemanden einzustellen, der sich schnell ins Team einfügt, jemanden, der das Team „versteht“. Für viele Unternehmen, insbesondere in der Anfangsphase, scheint das der richtige Weg zu sein.
Doch dieses Gefühl der Vertrautheit kann seinen Preis haben.
Mit der Zeit führt eine solche Herangehensweise zu Uniformität – und Uniformität hemmt Innovation. Wenn alle ähnlich denken, leidet die Kreativität. Teams übersehen blinde Flecken. Strategische Richtungswechsel werden schwieriger, weil es keinen inneren Antrieb gibt, neue Blickwinkel zu prüfen.
Deshalb überdenken immer mehr Führungskräfte ihren Ansatz. Eine aktuelle Analyse aus verschiedenen Branchen zeigt eine wachsende Besorgnis darüber, dass der Fokus auf Culture Fit mehr schadet als nützt. Insbesondere in technologiegeprägten Regionen und international agierenden Unternehmen ersetzt ein offener, wertebasierter Blick zunehmend starre Kriterien des „Dazugehörens“.
Trotzdem ist Culture Fit nicht überholt. In kleinen, dynamischen Teams – etwa dem Gründungsteam eines Start-ups – kann ein gemeinsames Grundverständnis den Ausschlag geben. Wenn jede Stunde zählt, ermöglicht ein gut abgestimmtes Team schnelle Entscheidungen, reibungslose Zusammenarbeit und rasche Konfliktlösung. Hier kann Culture Fit helfen, Momentum aufzubauen und Effizienz zu steigern.
Doch sobald ein Unternehmen wächst – sei es über Städte, Regionen oder gar Ländergrenzen hinweg –, stossen die Vorteile des Culture Fit an ihre Grenzen. Teams, die hauptsächlich nach Ähnlichkeit zusammengestellt sind, tun sich schwer damit, komplexe Herausforderungen zu bewältigen. Konstruktive Kritik bleibt aus, unkonventionelle Lösungen werden seltener vorgeschlagen. In Tech-Ökosystemen wie Berlin, Zürich, Paris, Bangalore oder Toronto, wo globaler Wettbewerb und kulturelle Überschneidungen zum Alltag gehören, wird diese Starrheit schnell zum Nachteil.
Das Problem liegt nicht im kulturellen Abgleich an sich, sondern in der Überbetonung der Gleichheit. Erfolgreiche Unternehmen erkennen diesen Unterschied – und handeln entsprechend.
Was «Culture Add» wirklich bedeutet
«Culture Add» verschiebt die zentrale Frage im Rekrutierungsprozess – von Passen sie zu uns? hin zu Welchen neuen Blickwinkel bringen sie ein?
Anstatt bestehende Normen zu verstärken, sucht Culture Add nach ergänzenden Eigenschaften: Fähigkeiten, Erfahrungen und Denkweisen, die das Team herausfordern und zum Wachstum anregen. Dieser Ansatz erkennt an, dass Innovation dort entsteht, wo Menschen zusammenarbeiten, die andere Fragen stellen und übersehene Lösungen erkennen.
Culture Add bedeutet nicht, die Anforderungen zu senken – sondern sie zu erweitern. Eine Kandidatin teilt vielleicht nicht die gleichen Gewohnheiten oder den Hintergrund des Teams, bringt aber womöglich entscheidenden Kontext mit: einen neuen Blick auf den Markt, eine andere Philosophie beim Programmieren oder einen alternativen Ansatz für den Launch eines Produkts.
Die Vorteile sind messbar. Laut aktueller Forschung generieren Teams mit grösserer Vielfalt in Denkstilen und beruflicher Herkunft originellere Ideen und erzielen langfristig wirkungsvollere Ergebnisse. Eine weitere Studie zeigt, dass gemischt zusammengesetzte Gruppen Probleme besser lösen und seltener mit blinden Flecken kämpfen. Und Führungsteams, die vielfältiger aufgestellt sind, erzielen bis zu 19 Prozent mehr Umsatz als weniger diverse Teams.
Im globalen Kontext ist das heute relevanter denn je. In umkämpften Talentmärkten in Europa, Nordamerika, Asien und Lateinamerika sendet das Hiring nach Culture Add ein klares Signal: Dieses Unternehmen schätzt Identität – statt von Bewerbenden zu erwarten, Teile ihrer Persönlichkeit zu verleugnen.
Gerade bei der Generation Z und den Millennials kommt diese Haltung gut an. Sie achten nicht nur auf Gehalt und Titel, sondern auch darauf, ob ein Unternehmen Unterschiede willkommen heisst – oder sie stillschweigend ausfiltert.
Culture Add heisst nicht, Unternehmenswerte über Bord zu werfen. Es geht darum, diese Werte reicher, breiter und zeitgemässer zu leben. In Branchen, die sich rasch verändern, verschafft diese Haltung Teams den entscheidenden Vorsprung, um nachhaltig zu wachsen.
Wie man für «Culture Add» rekrutiert
Für Culture Add zu rekrutieren erfordert mehr als nur gute Absichten. Es braucht einen strukturierten Ansatz, der traditionelle Rekrutierungsgewohnheiten hinterfragt und in jedem Schritt des Einstellungsprozesses für Konsistenz sorgt.
Beginnen Sie mit einer neuen Art von Frage:
Was fehlt heute in unserem Team, das uns morgen stärker machen würde?
Diese Denkweise öffnet den Raum für vielfältigere Möglichkeiten. Ein mittelgrosses Tech-Unternehmen in Zürich hat genau das getan, als es seine Stellenanzeigen im Engineering-Bereich überarbeitete, um gezielt Kandidat*innen mit Expertise in Barrierefreiheit anzusprechen. Diese eine Änderung vergrösserte nicht nur den Talentpool, sondern erschloss auch neue Kundensegmente auf EU-Märkten.
Um Culture Add fest in Ihren Rekrutierungsprozess zu integrieren, helfen die folgenden praxisnahen Schritte:
- Stellenanzeigen gezielt umformulieren. Vermeiden Sie allgemeine Soft Skills wie «Teamplayer». Überlegen Sie stattdessen, welche Lücken es in Bezug auf Erfahrung, Denkweise oder Marktkenntnis gibt – und benennen Sie diese explizit. So zeigen Sie Bewerbenden, dass Unterschiede erwünscht sind und nicht zum Nachteil gereichen.
- Strukturierte Interviews einsetzen. Ersetzen Sie freie Gespräche durch verhaltensorientierte Fragen, die sich an konkreten geschäftlichen Anforderungen orientieren. Bitten Sie Kandidat*innen, Situationen zu schildern, in denen sie eine neue Arbeitsweise eingeführt oder bestehende Prozesse hinterfragt haben. Zum Beispiel: «Erzählen Sie mir von einer Situation, in der Sie durch eine andere Sichtweise eine bessere Teamentscheidung herbeigeführt haben.»
- Interviewpanels divers zusammensetzen. Eine einzelne Führungskraft erkennt nicht alle blinden Flecken. Indem Sie Stimmen aus verschiedenen Abteilungen, mit unterschiedlichen Hintergründen oder aus anderen Regionen einbeziehen, verringern Sie Voreingenommenheit und gewinnen ein umfassenderes Bild davon, welchen Mehrwert jemand einbringen könnte.
- Erfolgsgeschichten teilen. Heben Sie Mitarbeitende hervor, die mit einem frischen Blick einen spürbaren Beitrag geleistet haben. Eine Entwicklerin in Barcelona hat zum Beispiel einen Lokalisierungsprozess eingeführt, der die Benutzerfreundlichkeit für spanischsprachige Nutzer*innen deutlich verbessert hat. Solche Geschichten während der Rekrutierung zu erzählen, hilft Bewerbenden zu erkennen, dass auch ihre Perspektive zählen kann.
Diese Veränderungen sind einfach – aber wirkungsvoll. Sie verschieben den Fokus im Rekrutierungsprozess: weg von Intuition, hin zu Einsicht; weg von Komfort, hin zu echtem Beitrag.
Warum sich Culture Add auszahlt
Culture Add geht nicht nur darum, Vielfalt um der Vielfalt willen zu fördern. Es bringt nachweislich echten, messbaren Nutzen in verschiedenen Bereichen der Unternehmensleistung.
Eine gross angelegte Analyse von McKinsey zeigte, dass Unternehmen im obersten Quartil hinsichtlich ethnischer und geschlechtsspezifischer Vielfalt 35 Prozent häufiger eine bessere finanzielle Performance erzielten als ihre weniger diversen Mitbewerber. Diese Ergebnisse waren branchen- und regionsübergreifend konsistent – von Softwarefirmen in Nordamerika über Fintech-Start-ups in Europa bis hin zu Telekommunikationsunternehmen in Südostasien.
Der Nutzen geht jedoch über den finanziellen Gewinn hinaus. Eine kanadische Studie fand heraus, dass inklusive Unternehmen, die nach dem Prinzip von Culture Add handeln, eine 5,4-mal höhere Mitarbeiterbindung verzeichnen. Mitarbeitende blieben nicht wegen des Gehalts, sondern weil sie sich gesehen, respektiert und in ihrer Wirksamkeit gestärkt fühlten.
Im heutigen Arbeitsmarkt ist das entscheidend. Qualifizierte Fachkräfte auf der ganzen Welt suchen zunehmend nach Arbeitsplätzen, an denen sie sich entwickeln können, ohne sich anpassen zu müssen. Unternehmen, die inklusive Umgebungen schaffen, haben hier die Nase vorn – besonders im Technologiesektor, wo der Wettbewerb um Talente in den Bereichen Engineering, Data und Product besonders intensiv ist.
In Europa und weltweit gibt es noch einen weiteren Vorteil: Reputation. Arbeitgebende, die für eine gelebte Unternehmenskultur bekannt sind – nicht nur für Benefits oder Branding –, erhalten bessere Bewerbungen und das schneller. Stellensuchende reden miteinander. Sie vergleichen. Und in Städten wie Amsterdam, Toronto, Bangalore oder Stockholm spricht es sich schnell herum, welche Unternehmen ihre Versprechen in Sachen Inklusion wirklich einlösen.
Innerhalb des Unternehmens zeigt sich der Effekt im Alltag. Teams mit gemischtem Hintergrund erkennen Risiken früher, testen Lösungen gründlicher und nähern sich Märkten mit differenzierterem Blick. Sie sind nicht nur divers in der Zusammensetzung – sondern auch dynamisch in Denkweise und Umsetzung.
Culture Add schafft Teams, die bestehende Annahmen hinterfragen, stärkere Ideen entwickeln und bessere Entscheidungen treffen. Der Business Case ist nicht theoretisch – er wird längst gelebt.
Stolpersteine erkennen – und wie man sie vermeidet
Culture Add klingt vielversprechend – doch wenn es schlecht umgesetzt wird, kann es nach hinten losgehen.
Ein häufiger Fehler ist scheininklusive Praxis. Unternehmen behaupten, Vielfalt zu schätzen, erwarten aber gleichzeitig, dass sich neue Mitarbeitende rasch anpassen und „einfügen“. Das ist kein Culture Add – sondern nur eine neue Version von Culture Fit.
Ein weiterer Fehler: vage Einschätzungen wie das berühmte «Bauchgefühl» oder Fragen wie «Würde ich gerne mit dieser Person zusammenarbeiten?». Solche Instinkte führen oft dazu, dass Menschen eingestellt werden, die dem Interviewenden in Denken, Auftreten oder Herkunft ähneln. So wird bestehende Voreingenommenheit verstärkt – und nicht Vielfalt gefördert.
Ein drittes Risiko besteht darin, dass sich die Unternehmenskultur intern nicht mitentwickelt. Neue Stimmen stossen dann auf Widerstand. Mitarbeitende, die an schnellen Konsens gewöhnt sind, empfinden neue Perspektiven womöglich als Störung statt als Chance. Ohne gezielte Vorbereitung wird Unterschied als Problem wahrgenommen – statt als Gewinn.
So vermeiden Sie diese Stolpersteine:
- Definieren Sie klare Kriterien. Machen Sie sichtbar, welche Denkweisen oder Erfahrungen dem Team fehlen. Entwickeln Sie Interviewfragen, die gezielt auf diese Lücken eingehen.
- Schulen Sie Führungskräfte im Erkennen von Mehrwert durch Unterschied. Viele Hiring Manager sind es gewohnt, auf Übereinstimmung zu prüfen. Sie benötigen Unterstützung, um den Blick auf Ergänzung zu richten.
- Bereiten Sie das Team vor. Teilen Sie den Grundgedanken hinter Culture Add. Wenn Mitarbeitende verstehen, warum Unterschied das Team stärkt, steigt die Offenheit.
- Ziehen Sie es durch. Inklusion endet nicht mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag. Bleiben Sie im Dialog mit neuen Teammitgliedern. Fragen Sie, was funktioniert – und was nicht. Wenn sie sich nicht gehört fühlen, scheitert der ganze Ansatz.
Culture Add erfolgreich umzusetzen braucht Konsequenz. Es ist kein Slogan, sondern ein Prozess, der in jeder Entscheidung und in jeder Zusammenarbeit gelebt werden muss.
Warum Culture Add ein Wettbewerbsvorteil ist
Die globale Tech-Wirtschaft entwickelt sich rasant. Allein im Jahr 2024 beliefen sich die weltweiten IT-Ausgaben auf geschätzte 1,1 Billionen US-Dollar – mit massiven Investitionen in KI, Cloud-Infrastruktur, Cybersicherheit und Automatisierung. Dieses Wachstum erzeugt eine enorme Nachfrage nach Talenten – nicht nur im Silicon Valley, sondern in ganz Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika.
Lokale Unternehmen stehen heute im direkten Wettbewerb mit globalen Konzernen. Sie können dabei nicht immer mit Gehältern oder Aktienoptionen mithalten. Aber sie können etwas bieten, das stärker wirkt: ein sinnstiftendes Arbeitsumfeld, das Wachstum, Identität und Purpose fördert.
Genau hier wird Culture Add zum strategischen Vorteil.
In der Schweiz, in Deutschland, Frankreich und den nordischen Ländern stellen Arbeitgebende fest, dass inklusive, werteorientierte Teams bessere Kandidat*innen anziehen – und diese auch länger im Unternehmen bleiben. In Regionen wie Südostasien und Südamerika, wo sich die digitalen Ökonomien rasant entwickeln, stellen junge Fachkräfte inzwischen gezieltere Fragen im Bewerbungsprozess. Sie wollen wissen, ob das Unternehmen unterschiedliche Sichtweisen wirklich schätzt – oder ob «Diversität» nur eine Checkbox ist.
Culture Add liefert die passende Antwort. Es signalisiert Bewerbenden: Du musst dich nicht anpassen, um dazuzugehören. Deine Ideen, deine Erfahrungen und deine Andersartigkeit werden als Mehrwert gesehen.
Diese Botschaft hat grosse Reichweite. Sie spricht Remote-Mitarbeitende, grenzüberschreitende Talente und digitale Nomaden an. Gleichzeitig fördert sie die Zusammenarbeit über internationale Standorte hinweg – mit mehr Offenheit und weniger Annahmen.
Ob Sie nun ein Produktteam in Lagos skalieren, ein Daten-Hub in Lissabon eröffnen oder ein Design-Team in Buenos Aires aufbauen – Culture Add hilft Ihnen, Ihr Unternehmen zukunftssicher zu machen. Es stärkt Ihre interne Kultur und verbessert die Verbindung Ihrer Teams zu Nutzer*innen in unterschiedlichen Märkten.
Die Unternehmen, die in den nächsten fünf Jahren führend sein werden, sind nicht jene, die auf Vertrautheit gesetzt haben – sondern diejenigen, die den Mut hatten, vielfältige Teams aufzubauen, die grösser denken.
Fazit: Teams aufbauen, die grösser denken – nicht nur gleich
Für Culture Fit zu rekrutieren mag sich sicher anfühlen. Es schafft Vertrautheit. Doch wenn Ihr Ziel langfristiges Wachstum, Widerstandsfähigkeit und Innovation ist, wird Gleichförmigkeit zum Risiko – nicht zur Stärke.
Durch die Umstellung auf Culture Add schaffen Sie Raum für Ideen, die Normen hinterfragen, für Menschen, die Fähigkeiten erweitern, und für Teams, die die komplexe, globale Realität Ihres Unternehmens widerspiegeln.